Ausstellungsbeschrieb (Flyer)
Im Jahr 1544 erschien bei der Basler Druckerei Petri (heute Schwabe AG) Sebastian Münsters monumentale Weltbeschreibung, die Cosmographia, die sich grosser Beliebtheit erfreute und bis 1628 oft erweitert und neu aufgelegt wurde. Damit bietet das Werk einen hervorragenden Einblick in die Entwicklung des Weltbildes der frühen Neuzeit – einer faszinierenden Zeit des Umbruchs, in der das moderne Ideal einer empirischen Wissenschaft noch unauflöslich mit mythischen und religiösen Vorstellungen durchdrungen war. Diese Ausstellung widmet sich den Raum- und Weltvorstellungen der frühen Neuzeit anhand einer Betrachtung der Cosmographia als «kulturelle Topographie». Es soll gezeigt werden, dass Topographien, also Raumbeschreibungen, nicht einfach eine Wirklichkeit abbilden, sondern diese mit erzeugen, indem kulturelle Vorprägungen in die Erhebung, Organisation und Darbietung des Wissens einfliessen. Zudem werden geographische und an der Chronik orientierte (kultur)historische Zugänge eng verbunden. Die Ausstellung führt, mit dem Fokus auf seinem Hauptwerk, in Münsters humanistisches Schaffen ein und zeigt passende Bücher und Karten aus den Beständen der Universitätsbibliothek. Der Einblick beginnt mit Basel und der Oberrheinregion, um sich dann in – aus Basler Sicht – ferne Weltgegenden zu begeben, die Münster nur aus dem Quellenstudium kannte und entsprechend fantasievoll darstellt. Die Ausstellung ist in vier farblich gekennzeichnete Themenkreise unterteilt, und mit den in den Vitrinen platzierten QR-Codes können weitere Informationen abgefragt werden. Navigieren Sie nun durch Münsters Welt der frühen Neuzeit, für Sie kartiert auf der Rückseite des Faltblatts.
1488 geboren, lebte Münster in einer Zeit der bahnbrechenden Neuerungen: Buchdruck, Entdeckungsfahrten, Reformation und Humanismus. Basel als Buchdruckerstadt und Kreuzungspunkt von Wissen und Handel, wo er seit 1529 als Professor für Hebräisch wirkte, war für Münster der ideale Ort, diesen Prozess der Erneuerung mit zu gestalten. In der auf Deutsch verfassten, reich bebilderten Cosmographia fand er einen Weg, zwei wesentliche Weltbilder seiner Zeit zu vereinen: Geschickt verband er die christlich geprägte Tradition des Mittelalters mit dem neuen, an der Antike orientierten mathematischen Zugang (Ptolemäus). Mit der Kartierung von Gottes Schöpfung entsteht ein neuer Blick auf die Welt.
Die Oberrheinregion mit Basel ist der Kern, aus dem Münster, im Dialog mit dem befreundeten Humanisten Beatus Rhenanus, das Kosmographieprojekt entwickelte. Stützt sich Münster ansonsten überwiegend auf Quellen und Zulieferungen aus seinem Netzwerk, die in der Ausstellung auch exemplarisch vorgestellt werden, so greift er bei der Beschreibung der Oberrheinregion auf seine Anschauung und eigene Vermessungen zurück. In Bezug auf Stadtansichten und Karten von Regionen, aber auch in der Darstellung ganzer Kontinente wie Europa erweist sich Münster als Pionier der Kartografie. Die Qualität der Abbildungen sichert er durch die Herstellung hochwertiger Holzschnitte und eine akribische Überwachung der Druckvorgänge.
Wo hört das Bekannte auf und wo beginnt das Unbekannte? Mit zunehmender Entfernung werden die Beschreibungen ferner Länder bei Münster immer vager und fantastischer. Der Norden birgt die «mitnächtlichen» Länder, mit wilder Natur, unbekannten Tieren, primitiven Völkern und der legendären Insel Thule. Im Osten scheint es kuriose und unverständliche Sitten und Traditionen zu geben, selbst unter der zum Christentum konvertierten Bevölkerung. In den Augen des christlichen Europa geht eine grosse Bedrohung von muslimischen Völkern aus. Erscheinen anderswo die Grenzen fliessend, so wird hier eine scharfe Grenze gezogen zwischen dem europäischen, «zivilisierten» Christentum und dem fremden, «gefährlichen» Islam.
Afrika ist Münsters Kontinent der Wunder und Gefahren. Nordafrika – Europa nicht nur geographisch näher als der Süden – wird als geschichtsträchtige Region mit Wundern, wie den Pyramiden, und bedeutenden Städten, wie Alexandria, beschrieben. Südlich davon, getrennt durch «undurchdringliche Sandmeere» (Sahara), liegt das «Morland». Hier, so liest man in den Quellen, sollen sich das sagenumwobene Reich des Priesterkönigs Johannes und die geheimnisvollen Nilquellen befinden. Die schreckliche Hitze macht das Leben schier unmöglich. Diese Weltgegend, wie auch der Ferne Osten und die «Neuen Inseln» (Amerika), ist auch die Heimat fremdartiger heidnischer Völker, gefährlicher Tiere und mythischer Monster.
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