Brief von Sebastian Münster an Matthias Erb, 3. Januar [1548]

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Dem Hochgelehrten und hochgebildeten Manne, Herrn Matthias Erb, dem Prediger von Reichenweier, seinem untadeligen Freund.

Gruss im Herrn! Hochgelehrter Mann, ich habe Deinen Brief erhalten, dessen Anfang mich nicht wenig erfreute. Aber Du schliesst unmittelbar etwas an, was mich doch sehr verwirrte. Ich bedaure, dass der Fürst zürnt, nicht nur dass er durch mich beleidigt, sondern dass er sehr erbittert ist. Wenn ich nur seine Ansicht vor der zweiten Ausgabe der Kosmographie gewusst hätte, sicher hätte ich dann die Stelle, durch die er beleidigt wurde, ohne weiteres abgemildert. Denn der christliche Fürst soll mich nicht für so ungerecht halten, dass ich die Beleidigung gegen ihn erdacht hätte. Im Laufe meiner Arbeit wurden mir von überallher geschriebene Bücher ausgeliehen, aus denen ich diese und andere annalistische Tatenberichte entnommen habe, die sich besonders auf das Elsass bezogen. Sehr vieles, das nicht selten affektvoll geschrieben war, habe ich so zu mässigen versucht, dass ich sogar von einigen getadelt wurde, ich würde die geschichtliche Wahrheit nicht beachten. Ich habe gehofft, mir den Dank der Fürsten zu verdienen, aber das Gegenteil ist geschehen, wie ich sehe. […] So bin ich auch vom Hofe des Königs von Schweden ermahnt worden, einiges zu ändern aus den Beiträgen von Jakob Ziegler und Olaus Magnus. Ich hoffe dadurch den aufgebrachten Fürsten zu besänftigen. Wenn er aber an meinem guten Glauben zweifelt, kann ich ihm die Bücher zeigen aus denen ich geschöpft habe. Ich gebe jedoch meine Unklugheit zu, dass ich das kritiklos in meinem Buch aufnahm. […] Ich rühme Deine Redlichkeit, weil Du mich so freundlich bei Deinem Fürsten entschuldigt hast und nach Deinen Kräften darum bemüht warst, seinen Zorn von mir abzuwenden. Ich bitte Dich ferner, wenn noch etwas anderes im Tatenbericht der Württembergischen Fürsten steht, was nicht wahr ist, dass Du das von Deinem Fürsten ermittelst und mir mitteilst. Denn ich möchte solche Dinge streichen, die nicht wahr sind. […] Man darf aber der Geschichte die Wahrheit nicht entziehen, doch muss man mit Klugheit alles mässigen und darf nicht in ein Wespennest stechen. Wie ich höre, erhitzt sich der Fürst zuerst sehr, aber mit der Zeit wird er milder, Ich hoffe, dass er mir in der Folge wohlgesinnter werden wird. Lebe wohl, hochgelehrter Mann.

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Basel, den 3. Januar [1548]
Sebastian Münster

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(Aus Burmeister, Karl Heinz: Briefe Sebastian Münsters.
Lateinisch und Deutsch, Ingelheim am Rhein 1964.)

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Brief von Sebastian Münster an Konrad Pelikan, 2. Auffahrtstag [1547]

 

Dem hochgebildeten und hochgelehrten Manne, Konrad Pelikan, dem Zürcher Professor, seinem verehrten Lehrer.

Gruß dem Herrn! Hochgelehrter Lehrer, wie es Dir in Deinem hohen Alter geht, wissen wir nicht genau, wenn auch vor einigen Tagen jemand der von Zürich zu mir kam, mir und meiner Frau erzählte, es ginge Dir für Dein Alter noch recht gut. Dank der Güte Gottes geht es mir und meiner Familie gut. Wir sind alle gesund.

Vor 14 Tagen war ich in Pforzheim beim Marktgrafen in einer Erbschaftssache meiner Frau. Er war mir in meiner Angelegenheit sehr gewogen. Im Kloster leben nur noch vier Brüder, zwei Geistliche und zwei Laien, die nichts tun als die Messe zu lesen. Der Pfarrer und der Prediger wie fast auch die ganze Stadt haben die wahre Religion angenommen und die Priester des Klosters bei ihren papistischen Zeremonien zurückgelassen.

Dann machte ich einen Abstecher zum Pfalzgrafen Ottheinrich, der sich bei den Bädern in Baden aufhielt. Er nahm mich sehr gastfreundlich auf. Er bat mich, ihm die zweite Ausgabe der hebräischen Bibel, wie sie in Venedig gedruckt ist, mit den Kommentaren und aramäischen Übersetzungen, zu kaufen; aber ich weiß noch nicht genau, wie ich das erreichen kann.

Als ich schließlich nach Hause zurückehrte, geschah das, was ich befürchtet und zu vermeiden versucht hatte: ich wurde nämlich zum Rektor der Universität gewählt. Ob ich will oder nicht, ich muß diese Last auf meine schwachen Schultern nehmen.

Auch habe ich noch erfahren, als ich am Hofe des Pfalzgrafen war, daß unsere Heidelberger Franziskaner auf vier oder sechs vermindert sind und ihnen die Aufgabe, Messe zu lesen und zu predigen, genommen worden ist.

Vor drei Tagen kam mein Bruder aus Ingelheim zu mir nach Basel; 22 Jahre hatte ich ihn nicht gesehen. Er kam mit seinem Sohn Andreas, dem Überbringer dieses Briefes; er hat in Italien studiert, dann in Frankfurt an der Oder, schließlich in Königsberg in Preußen, wo er auch während einiger Jahre als Prediger wirkte. Sein ganzes Studium gilt den heiligen Dingen, während er alle anderen Studien vernachlässigt hat. Ich werde deswegen auch dem Pfalzgrafen schreiben, ihm eine Stellung im Dienst des Wortes zu verschaffen, die seiner würdig ist und seine Kräfte nicht übersteigt; sein Herz brennt nämlich darauf, das wahre Christentum zu lehren. Er bat auch mich, ihm mit einigen theologischen Büchern auszuhelfen oder ihm welche zu kaufen, ich habe es gern getan. Ich gab ihm fast alle meine Bücher außer den hebräischen, obwohl ich nicht viel habe. Er möchte auch die Zürcher Bibel haben wie auch sein Bruder Joseph, der Lüneburger. Da er aber nicht allzuviel Geld hat, hielt ich es für gut, ihn nach Zürich zu schicken, wo er sich billiger als anderswo diese Bücher beschaffen kann. Denn ich glaube, Christoph Froschauer wird ihm das Buch mir zuliebe zum Einkaufspreis geben. Ich werde ihn dann bezahlen, sobald er nach Basel kommt. Dann kann es auch sein, daß bei Dir einige theologische Bücher und Büchlein sind, die Du nicht besonders schätz und die Du beiseite gelegt hast, die auch für Deine Nachkommen nicht von Bedeutung sind, mit denen Du den Jüngling bereichern und beehren kannst. Aber ich will nicht, daß Du seinetwegen Deine Bibliothek plünderst. Er wird mit Freude auch Bruchstücke annehmen, die bei Dir im Überfluß vorhanden sind. Handle so, wie es Dir gut scheint. Der Jüngling brennt darauf, Dich persönlich zu sehen, besonders deshalb, weil Du durch mich einigen Einfluß auf die Ausbildung seines Bruders Joseph genommen hast, vor allem im Hebräischen. Denn dieser war einst in Heidelberg in meiner Obhut. Wenn ich Dir einen Ausgleich verschaffen kann, werde ich nach Kräften darum bemüht sein.

Du wirst vielleicht fragen, womit ich mich zur Zeit beschäftige. Ich will es Dir sagen: Vor einiger Zeit habe ich die >Spaera mundi< beendet, die einst von einem gelehrten Juden in Spanien verfasst wurde; ich habe sie durch meine Anmerkungen veranschaulicht. Die sehr alte Handschrift wurde mir aus Venedig geschickt. Jetzt aber bin ich ganz mit der Kosmographie beschäftigt, die ich zum dritten Mal herausgeben will. Allenthalben werden viele Ergänzungen zur Verfügung gestellt. Ich erwarte auch Bilder der Städte Deutschlands von der Größe eines Blattes. Auf meine Bitte hin haben schon die Frankfurter, Speyrer, Landauer, Kolmarer, Weißenburger, Marburger, Solothurner, Lindauer, Feldkircher, Churer und viele andere Bilder ihrer Städte zur Verfügung gestellt. Aber das werde ich Dir zu anderer Zeit ausführlich schreiben. Für heute lebe wohl.

Basel, am 2. Auffahrtstag [1547]       Dein Sebast. Münster

Meine Frau grüßt Dich freundlich.

 

Quelle:

„Briefe Sebastian Münsters. Lateinisch und Deutsch“

Karl Heinz Burmeister (Hrsg.)

1964, Insel-Verlag. Seite 122-124

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Brief von Sebastian Münster an Cornelius Wouters und Georg Kassander, 4. Mai 1550

Den hochgebildeten und hochgelehrten Männern, den Herren Cornelius Wouters von Gent und Georg Kassander, seinen erhabenen Freunden, Köln.

Meinen Gruß! Hochgelehrte Männer, die Arbeit, die nun schon lange in meinen Händen liegt, habe ich jetzt endlich schlecht und recht beendet. Ich sage >schlecht und recht<, weil dieses Unternehmen kein Ende hat, was die Schriftstücke beweisen, die mir von Zeit zu Zeit geschickt werden. So sandte mir der Pfalzgraf Johannes ein Bild seiner Stadt, die Pommern schickten mir auch verschiedene Bilder und Beschreibungen ihres Rätiens, die Straßburger fertigten auch ein Bild ihrer Stadt an, die von Baden-Baden wollen ihren Ort verherrlichen. Nur die Niederdeutschen tragen nichts bei, obwohl sie doch so herrliche Städte bewohnen. Wie ich höre, gibt es bei Euch ein Bild der Stadt Gent, das ich auch dem Buch einverleiben möchte; aber man muß sich an den Rat wenden, daß er auch eine geldliche Unterstützung schickt, wie es fast alle anderen Städte Deutschlands getan haben: Wer könnte sonst solche Kosten tragen! Das weiß ich, daß wir allein für das Schneiden der Bilder 450 Gulden Unkosten gehabt haben; aber, wie ich bereits schrieb, haben die Fürsten, Bischöfe und Städte diese Kosten etwas erleichtert. Die Bilder ausländischer Städte werden auf unsere Kosten angefertigt, so die von Paris, Rom, Florenz, Kairo (das jetzt geschnitten wird), Konstantinopel, Venedig, Belgrad, Algier, Jerusalem usw. Ich habe mich mit meinen Briefen auch an die Aachener, Utrechter und Lütticher gewandt, aber nichts erhalten. Vielleicht wird das veröffentlichte Buch demnächst noch mehrere anreizen, daß sie von sich aus ihre Arbeiten dazu beitragen. Aber hierüber genug, ich kehre zu Euch zurück.

Ich trauere mit Euch, beste Männer, daß ihr bis heute immer noch aus der Heimat verbannt lebt, aber andererseits lobe ich Eure Beständigkeit in der von Euch angenommenen Erkenntnis der wahren Religion, daß nicht einmal die Liebe zu Eurem treuen Vaterland Euch wegreißen kann von der geahnten Liebe zum himmlischen Vaterland. Der Euch diesen heiligen Entschluß eingegeben hat, bewahre Euch bis ans Ende.

Wie leben hier immer noch nach unserer Gewohnheit, nachdem wir nun schon zwei Jahre lang durch viele Schrecken beunruhigt worden sind. Euch, Ihr besten Männer, dank ich vielmals für die Büchlein, die Ihr mir während der zwei Jahre geschickt habt, von denen das erstere, nämlich die Geschichte Flanderns, mir von nicht geringem Vorteil war, da ich aus ihr die ganze Genealogie der Grafen von Flandern zusammenstellen konnte. Das andere über den Triumpf, mit dem der König Philipp empfangen worden ist, habe ich nur oberflächlich gelesen und andern zu lesen gegeben. Wir werden sehen, was uns der Augsburger Reichstag bringen wird, der schon im Juni sein soll. Möge der Herr dafür sorgen, daß nur sein Ruhm gesucht wird. Ihr lebet inzwischen wohl!

Basel, den 4. Mai 1550           Sebast. Münster

 

Quelle:

„Briefe Sebastian Münsters. Lateinisch und Deutsch“

Karl Heinz Burmeister (Hrsg.)

1964, Insel-Verlag