Mit den grossen Entdeckungsreisen im 15. und 16. Jahrhundert entstand ein neues Weltbild. Münster war fasziniert von dieser Ausdehnung des Horizonts, doch war er kein Entdecker und Eroberer, sondern humanistischer Gelehrter. Ohne die Welt selbst gesehen zu haben, zauberte er aus Quellen, Korrespondenzen und Mitteilungen eine Darstellung der Welt, die den neusten Wissensstand populär zusammenfassen und Erklärungen für die sichtbaren Phänomene liefern sollte. Die Humanisten des 16. Jahrhunderts sahen noch keinen Widerspruch zwischen der naturwissenschaftlichen Erklärung von Begebenheiten und den verschiedenen biblischen und mythischen Geschichten zur Weltentstehung. Ihr Ziel war es auch nicht, eine der Ansichten als die richtige hervorzuheben, sondern die Ideen miteinander zu vereinen. So diskutiert Münster etwa ausführlich die Theorien zur Erklärung des Salzgehaltes der Meere, um dann mit dem Hinweis auf Gottes Willen zu schliessen. Die Sintflut erscheint als Ursprung von Höhlen, Bergen, Tälern und Mooren, denn die Wassermassen formten nach der Auffassung von Münster die heutige Erdoberfläche. Damit wird ein ‚ätiologischer‘, den Ursprung der Dinge erklärender Mythos geschaffen; die Cosmographia wird zur Kosmogonie.

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