Thule bezeichnet eine Insel, welche erstmals 325 v.Chr. vom griechischen Geographen Pytheas als äusserster Nordrand der Welt beschrieben wurde. Nach seinen Reiseberichten liegt sie sechs Tagesfahrten von Britannien entfernt. Ab diesem Zeitpunkt taucht die Insel auch in der germanischen und keltischen Mythologie auf – als ‚Das letzte Land‘.
Die Römer berichten von der Sichtung Thules bei einer Umseglung Grossbritanniens, und auch im Mittelalter taucht die Insel in verschiedenen Zusammenhängen auf, z.B. in einem Bericht des Historikers Prokop (500–562 n. Chr.) zum Gotenkrieg: ‚Thule ist eine sehr grosse Insel, über zehnmal grösser als Britannien; es liegt von dort aus noch weiter im Norden‘. Auch in den verschiedenen Ausgaben der Cosmographia taucht die Insel Thule auf; natürlich erneut an verschiedenen Orten.
Schon bald erhält Thule eine mythische Bedeutung und bietet eine Grundlage für Lieder und Geschichten. 1774 schreibt Goethe Es war ein König in Thule; ein Gedicht, welches erst als Lied Gretchens im Faust Verwendung findet und das bis heute bekannt ist und vielfach interpretiert wurde.
Es war ein König in Thule,
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.
Es ging ihm nichts darüber,
Er leert’ ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.
Und als er kam zu sterben,
Zählt’ er seine Städt’ im Reich,
Gönnt’ alles seinen Erben,
Den Becher nicht zugleich.
Er sass bei’m Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vätersaale,
Dort auf dem Schloss am Meer.
Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensgluth,
Und warf den heiligen Becher
Hinunter in die Fluth.
Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief ins Meer,
Die Augen thäten ihm sinken,
Trank nie einen Tropfen mehr.