Zusammengesetzte Karte. Die Originale sind an der UB Basel

Zusammengesetzte Karte. Die Originale sind an der UB Basel

ABBILDUNG DER MAAS

Warum die Beschäftigung mit dieser Karte?

Die Karte zeigt das bildgewordene Gewässer der Maas. Die Maas ist ein fast 900km langer Fluss, der kurz vor Rotterdam mit dem Rhein zusammenfliesst und somit das Maas/Rhein-Delta bildet, wo sich heute der Rotterdamer Hafen erstreckt. Die Karte wurde von Jacob Quacg im Jahr 1665 erstellt und besteht aus vier Blätter mit einer Grösse von je ca. 61 x 47 cm. Über den Macher der Karte ist nicht sehr viel bekannt: Jacob Quacg, oder auch Quack, war ein englischer Verleger und Postmeister in Rotterdam. Er starb 1668.[1]

 

Die Gruppe um Simeon Jankovic, Lea Sahlmann und Fiona Koelbing setzte sich intensiv mit dem Element des Wassers in der Kartographie auseinander und widmet sich der Frage nach der Darstellung von Gewässern auf historisch-kartographischem Material der UB Basel.

Das Interesse an dieser spezifischen Darstellung rührt aus der Schlichtheit der Karte und der Reduktion von den gängigen Landinformationen, die auf anderen Karten in einer derartigen Fülle dargeboten werden, dass der Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen werden kann.

Währenddem sich Simeon Jankovic mit den Darstellungen der Schiffe, Sandbänke und Linien beschäftigte, widmete sich Lea Sahlmann dem Kompass und der Flussallegorie und dem Meeresgott und Fiona Koelbing nahm sich der perspektivischen Ausarbeitung der Städte und Landschaften an. Die folgenden Artikel streifen Eckpunkte ihres Arbeitsprozesses und geben einige Gedanken wieder, die Kernaspekte des Seminars waren.

 

Part 1

Die Faszination, die Karten im Allgemeinen und diese im Speziellen auf mich ausüben, liegt in ihren unterschiedlichen künstlerischen Visualisierungen. Die bildlichen Darstellungen können einerseits auf ihre Funktion und ihren Gehalt hin als wertvoll betrachtet werden, andererseits besitzen sie auch im Hinblick auf ihre rein visuelle Erscheinung einen hohen Wert und verweisen auf bestimmte Techniken und den Zeitgeist einer vergangenen Kultur. Warum hat man gewisse Dinge so dargestellt, wie sie nun eben dargestellt sind?

Die Schwierigkeit dieser Problemstellung ist die Tatsache, dass beinahe keine Fachliteratur vorhanden ist, die sich dem Thema Kartographie aus einem kunsthistorischen Blickwinkel nähert. Als Empfehlung möchte ich allerdings David Buisserets The Map Maker’s Quest – Depicting

 

Spannend ist zu sehen, dass in mittelalterlichen Karten, die meistens von Klerikern angefertigt wurden und der Vermittlung von christlichen Imaginationen und Weltanschauungen dienten, keine eindeutige Perspektive auszumachen ist – die Entwicklung der Zentralperspektive sollte ja erst um 1500 durch Filippo Brunelleschi erfolgen – und somit ein interessantes Durch- und Nebeneinander auf den damaligen Karten auszumachen ist. Oftmals werden diese mittelalterlichen Weltkarten als wenig objektiv abgestempelt, da sie einerseits eben ein vollkommen anderes Weltbild wiedergeben als das heutige und andererseits weil sie in ihrer Darstellungsweise nicht exakt zu sein scheinen. Auf die Frage nach der Objektivität möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen, sondern in erster Linie auf die Visualität fern von jeglicher Wertung betreffend derer Korrektheit.

Peter Barbar, der Leiter der Kartographieabteilung der British Library, macht darauf aufmerksam, dass die mittelalterlichen Karten Raum und bemerkenswerterweise ebenso Zeit abbilden, und dass die Vielfalt an Karten im Mittelalter weit ausgereifter war, als lange Zeit angenommen wurde.[2]

Von grosser Bedeutung für die weitere Entwicklung von Karten waren die Stundenbücher wie wir sie von namhaften Künstlern wie den Limbourg oder den Van Eyck Brüdern kennen. In den Stundenbüchern sind illustrierte Texte der stündlichen Gebete abgebildet. So auch in Très Riches Heures der Gebrüder Limbourg, in welchem die älteste erhaltene Karte zu finden ist: Das Stundenbuch zeigt die Stadt Rom mit ihren wichtigsten Monumenten.[3]

Neben Künstlern wie Leon Battista Alberti oder Jean Fouquet sticht einer, der sich ebenfalls mit der Kartographie beschäftigte, besonders heraus. Es ist Leonardo da Vinci (1452-1519), der in der Lage war Grundrisse grosser Gebiete zu fertigen oder diese aus der Vogelperspektive darzustellen. Er vereinte diese zwei Anschauungsarten manchmal in einer Karte um dadurch eine möglichst vollständige Version eines Ortes oder Vorstellung über eine Stadt zu bieten. Auch seine zwei Zeitgenossen Raphael Sanzio und Michelangelo Buonarotti widmeten sich ausgiebig dem Zeichnen von Plänen, seien es nun Grundrisse für Häuserrenovationen oder die Befestigung der Stadtmauern.[4]

 

So sehen wir, dass sich die Karten aus unterschiedlichen Ursprüngen und in unterschiedliche Richtungen entwickelten. Die Kartographie wurde benutzt in der Seefahrt, diente der Festhaltung und gleichzeitigen Inbesitznahme  von Entdecktem, vereinfachte die Orientierung, gab eine Vorstellung über zukünftige Bauten, war manchmal blosse Dekoration oder Hintergrund auf einem Gemälde.

 

Welchen Ursprung hat die hier vorliegende Karte von Jacob Quack und welchem Zweck dient(e) sie?

Zur möglichen Klärung dieser Frage möchte ich mich auf erneut auf David Buisseret berufen. Kartenentwürfe von Landschaften entstanden aus den Entwicklungen in der landwirtschaftlichen Produktion oder als Teil militärischer Strategieplänen, wohingegen Stadtpläne eine grosse Verbreitung auf Grund der neuen Reproduktionstechniken erfuhren.[5]

Im Bezug auf die Karte ist festzustellen, dass es sich um eine landschaftliche Darstellung handelt, die dem Betrachter das Gelände und dessen Beschaffenheit aufzeigt (Dünen, Wasser, Sandbänke) sowie die Wegverbindungen von Stadt zu Stadt angibt. Gewisse Ortschaften sind auch heute noch zu identifizieren: Rotterdam, Delfs Haven (heute Delfshaven), Schie Dam (heute Schiedam), Vlaerdinge (heute Vlaardingen), Delft, Den Briel (heute Brielle) und Hoeck van Hollant (heute Hoek van Holland).

Auf Grund des abgebildeten Maas/Rhein-Deltas, den ziemlich genau lokalisierten Städten und der klar aufgezeigten Wege könnte die Karte folglich eine Orientierungshilfe für Handelsleute darstellen. Ein weiterer Anhaltspunkt für eine genauere Zweckbestimmung bietet der Titel: Afbeeldinge van de Maes, van de stadt Rotterdam tot in zee, met de aengelege steden en plaetsen, sanden, drooghten, en coersen, soo als die tegenwoordigh bevaren wert / int licht gebracht door Jacob Quacg.

Abbildung der Maas, der Stadt Rotterdam bis zum Meer, mit den gebauten Städten und Plätzen, Sanden, Trockenheit und Kursen, so wie sie heute befahren/navigiert werden / ins Licht gebracht durch Jacob Quacg. Nicht nur der Titel, sondern auch die Flussallegorie der Maas und die Abbildung des Neptuns unterstreichen die Wichtigkeit des Wassers in diesem Bild. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um eine Karte handelt, die zur Navigation von Handelsschiffen diente und den Geschäftsleuten half, sich entlang der Künste mit ihren Städten zurecht zu finden. Denn das Gelände rund um die Küstenlinie ist in einer direkten Aufsicht gegeben, währenddem die Perspektive in der Fern und bei den Dünen auf eine Seitenansicht umschwenkt. Die Aufsicht ermöglicht eine einfache und überschaubare Widergabe der Strassen auf dem flachen Land und in den Städten; die Seitenansicht findet da Verwendung, wo ein Höhenunterschied im Gelände darzustellen ist, so wie bei den Dünen und Städten in der Ferne, die für den Handel vor Ort nur von sekundärer Relevanz waren.

 

Schliessen möchte ich an dieser Stelle mit einem Vorschlag für die weitere Entwicklung der Forschung. Spannend wäre in einem nächsten Schritt herauszufinden, in welchem Zusammenhang die Kartographie und die Holländische Landschaftsmalerei im 17. Jahrhundert stehen.

 


[1] Daten aus: Allgemeines Künstlerlexikon – Internationale Künstlerdatenbank – Online: Jacob Quack. URL: http://www.degruyter.com/view/AKL/_00135030?rskey=GiE7Mj&result=2&q=&dbq_0=jacob+quack&dbf_0=akl-fulltext&dbt_0=fulltext&o_0=AND (Stand: 9. Januar 2013).

[2] Vgl.: Buisseret, David: The Map Maker’s Quest. Depicting New World’s in Renaissance Europe. New York 2003, S. 3.

[3] Vgl.: Buisseret, David: The Map Maker’s Quest. Depicting New World’s in Renaissance Europe. New York 2003, S. 29-31.

[4] Vgl.: Buisseret, David: The Map Maker’s Quest. Depicting New World’s in Renaissance Europe. New York 2003, S. 35-37.

[5] Vgl.: Buisseret, David: The Map Maker’s Quest. Depicting New World’s in Renaissance Europe. New York 2003, S. 113-152.