Susanna Burghartz, „Aneignung des Fremden: Staunen, Stereotype und Zirkulation um 1600“, erschienen im Sammelband: Huwiler, Elke; Wachter, Nicole (Hg.): Integrationen des Widerläufigen, Münster 2004, 109-137.
Der Text von Susanna Burghartz befasst sich in erster Linie mit dem Umgang mit neuen Wissensinhalten, die auf den Entdeckungsreisen ab dem 15. Jahrhundert in Amerika in Erfahrung gebracht und an das in Europa vorherrschende „Relevanzsystem“ sowie an die Darstellungskonventionen angepasst wurden. Die Autorin hält in diesem Zusammenhang fest, dass die Aneignung dieser fremden Inhalte Teil eines langwierigen Prozesses gewesen sei, bei welchem sich auch bereits Bekanntes in seiner Wissensstruktur verändert habe. Kolumbus, der sich zu Lebzeiten sicher war, einen neuen Seeweg nach Indien gefunden zu haben, war so beispielsweise Teil dieses langwierigen Prozesses, in welchem die neu gefundenen Länder sich erst mit der Zeit als neuer Kontinent zu erkennen gaben.
Den Zuhausegebliebenen wurden diese neuen Wissensinhalte v.a. anhand von Bildern und Metaphern näher gebracht, die dem „imaginären Archiv der Herkunftskultur“ entsprachen, womit Unbekanntes zu Vertrautem wurde und Stereotypen fixiert wurden. Darstellungen von Kannibalen, Kopf- und Brustfüsslern, Meerwundern oder sagenhaften Goldländern haben so zum festen Repertoire des europäischen Imaginären gehört. Gleichzeitig sei damit die bedrohliche Wirkung des Fremden fixiert worden, womit Angstproduktion und Angstabwehr zusammenfielen. Weitere Vergleichspunkte, anhand denen eigene und fremde Kultur gegenübergestellt wurden, waren beispielsweise die Nahrung in der Fremde, die Religion oder der Grad der Nacktheit, der eine Aussage darüber machte, welche Kultur als wie zivilisiert angesehen wurde.
Für den kolonialen Diskurs seien stets Ambivalenzen zu erkennen gewesen, womit sich Einschluss und Ausschluss, Bezugnahme und Entgegensetzung, Bewunderung und Verachtung, Angst und Gefühle der Überlegenheit gegenübergestanden hätten. Auch das Verhältnis zwischen Staunen und Verwunderung sei ambivalent gewesen, allerdings ohne definitive Festschreibung, ob das Gesehene als positiv oder als negativ zu bewerten sei. Dieser koloniale Diskurs sei in Europa von grösster Beliebtheit gewesen, was man ab dem ersten Reisebericht von Kolumbus anhand der Produktion der Americana, den Schriften und Büchern über die Neue Welt, feststellen könne, seien diesem doch unzählige weitere Berichte zum Thema in den folgenden Jahrhunderten gefolgt.
Zum Abschluss befasst sich der Beitrag von Susanna Burghartz mit der Aneignung als Prozess und nennt Beispiele für die Mikromechanik des Zirkulierens, auf welche hier nicht eingegangen werden soll.
Die Pdf-Version des Aufsatzes ist auf www.burghartz.ch online abrufbar.